Antje Eichner
 

Ab ins Chaos

Das war laaaange vor der momentanen Lage. Das ist keine Quarantäne der speziellen Art. Das war ein improvisiertes Lackier-Abteil im Arbeitszimmer. Auf meine geliebten kleinen Helferlein konnte ich in den Pausen zum Lüften nicht verzichten. Nach all den Sprühlack-Schichten halfen sie mir herauszufinden, wie schlimm ich doppelt sehe.


Ich wollte ja schon immer das Schnitzen lernen, allerdings nicht so: Es ist schon eine Weile her. Der Gedanke war, mir einen neuen Spiegel an das Türblatt zu kleben, nachdem der alte... Okay, an dieser Stelle glaubt ihr mir jetzt einfach mal, dass er kaputt ging und nicht schlagartig blind wurde, sich vom Kleber löste, seine Scherben lüpfte und mit einem gotterbärmlichen Kreischen davonzischte.... Es war nicht gedacht, damit den Sitz meiner Kleidung zu überprüfen, sondern eher etwas nudistischer. Er war aufs Bett ausgerichtet. Tja, der alte Spiegel war weg und dem Neuen verlangte es nach einer frischen Kartusche Montagekleber. Also ließ ich das Messer aufspringen, setzte zum Schnitt an und unter der Klinge rieselte die Feststellautomatik hervor. Im nächsten Schritt entfernte die Klinge sehr gründlich das Fleisch oberhalb der Sehnen meines Zeigefingers. Das war nicht ganz der Striptease an den ich gedacht hatte. Aber gut: Muss man nutzen! Schnell noch ein paar Fotos an die Freunde verschickt, die beim Anblick von Blut so hübsch aus den Latschen kippen, dass sie olympisches Gold dafür verdienen und das triefende Bündel samt Fingern und Resten zum Chirurgen geschleppt. An dieser Stelle mein Tipp: Erfindet einen anderen Tatablauf! 

Schallendes Gelächter, fünf frauenfeindliche blöde Sprüche und noch ein Video, bei dem die blanke Sehne in die Kamera winkte, später, war der ganze Murks zusammengeklebt. Und am darauffolgenden Tag noch einmal geklebt worden.... Weil ich die Arbeit beenden wollte. Was soll ich sagen? Ich kann es eben nicht leiden, wenn Dinge herumliegen...Baustoffe, Werkzeuge, Finger.... 

Fazit: Eines Tages bringe ich mir noch das Schnitzen bei. Mit den richtigen Materialien! Und bis dahin kann ich drüber schmunzeln, dass aus der Idee von 9 1/2 Wochen mal eben 9 1/2 Finger wurden.